Hallo zusammen,
heute möchte ich über eines der interessantesten Konzepte sprechen, das erklärt warum ultraleichte Ausrüstung so gut funktioniert. Das mangelnde Verständnis um dieses Konzept führt in Diskussionen immer wieder dazu, dass Leute nicht glauben können, das man ultraleicht erfolgreich unterwegs sein kann.
Das Konzept, um das es heute geht ist die positive Gewichtsspirale.
Um zu einem besseren Verständnis zu kommen, möchte ich die einzelnen Faktoren, die das Konzept beeinflussen nacheinander anschaun und bildlich darstellen, was da so passiert.
Geschwindigkeit
Es geht jetzt nicht darum, ob Schwergewichtstrekker einfach Bummel-Liesen sind oder Ultraleichtfuzzies ohne irgendwas von der Landschaft zu sehen durch die Gegend rennen. Es geht darum wie sich das Rucksackgewicht auf die Laufgeschwindigkeit auswirkt. Um es einfach zu halten und ohne biomechanische Formeln arbeiten zu müssen (die ich selber nicht verstehen würde) kann man ganz einfach sagen, dass man mit weniger Gewicht auf dem Rücken schneller läuft als mit viel Gewicht.
Probiert das selber mal aus, wenn ihr wollt. Einfach eine beliebige Strecke ohne und dann mit 15kg Gepäck laufen. Wenn man jetzt einfach seinen Rhytmus sucht und ganz entspannt läuft, wird man ohne Gepäck schneller am Ziel sein als mit dem schweren Rucksack. Ein Sumo-Ringer ist auf 100m auch langsamer als ein Spargel-Tarzan.
Die Geschwindigkeit mit der ich laufen kann, bestimmt wie schnell ich eine gegebene Strecke überwinden kann.
Bei 25km Wegstrecke sieht das ungefähr so aus:
km/h | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 |
Stunden unterwegs | 25 | 12,5 | 8,33 | 6,25 | 5 | 4,17 |
Wenn man jetzt also aufgrund niedrigeren Rucksackgewichtes u.U. einfach etwas schneller läuft, macht sich das deutlich bemerkbar. Selbst bei den „normalen“ Geh-Geschwindigkeiten von 3-5 km/h haben wir dann Gehzeitdifferenzen von 1-2 Stunden. Falls das zu kryptisch war… Wer weniger trägt ist schneller am Ziel.
Wasser
Wasser wiegt ziemlich genau 1kg je Liter und ist unumgänglich auf einer Tour. Abgesehen von der in den meisten Fällen geringen Gefahr des Verdursten wollen wir auch sonst keinen Durst haben. Wer zu wenig trinkt ist weniger leistungsfähig und wird langsam. Um Wasser kommt man also nicht herum.
Was müssen wir z.B. auf den 25km mit uns rumschleppen, wenn wir 0,75 Liter Wasser pro Stunde trinken?
km/h | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 |
Liter Wasser | 18,75 | 9,38 | 6,25 | 4,69 | 3,75 | 3,13 |
Je schneller ich unterwegs bin, desto weniger Wasser muss ich also mit mir rumschleppen. Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die erhöhte Geschwindigkeit über die wir hier sprechen alleine durch eine Gewichtsreduzierung beim Rucksack herrührt. Ich könnte mich ja auch verausgaben, um schneller zu sein. Das würde allerdings den Wasserkonsum wieder hochtreiben.
Der Gewichtsunterschied liegt bei den normalen Gehgeschwindigkeiten zwischen 1,5 und 2,5 kg.
In den meisten Fällen muss man natürlich nicht das Wasser für die gesamte Strecke mitsich tragen. Aber auch dann führt eine höhere Geschwindigkeit dazu, dass man schneller an der nächsten Wasserstelle ist und bis dahin weniger Wasser tragen muss.
Fazit bis dato: Wer leichter unterwegs ist, läuft automatisch schneller und muss deswegen weniger Gewicht – in diesem Fall Wasser- tragen.
Lebensmittel
Im Rahmen der positiven Gewichtsspirale spielen Lebensmittel für mich immer dann eine Rolle, wenn mein Trekkingziel nicht zeit-, sondern streckenspezifisch ist. Möchte ich 1o Tage autark in Schottland unterwegs sein oder möchte ich den West Highland Way laufen. Ist ersteres mein Ziel, dann brauche ich Lebensmittel für 10 Tage. Sollen diese 10 Tage Spaß machen, kann man am Gewicht der Lebensmittel nicht viel drehen.
Ist mein Ziel aber eine gegebene Strecke wie den West Highland Way zu laufen, dann arbeitet leichtere Ausrüstung wieder für mich und verstärkt den bis dato aufgelaufenen positiven Effekt. Der West Highland Way ist ca. 150km lang. Wenn wir davon ausgehen, dass unsere durch leichte Ausrüstung erhöhte Gehgeschwindigkeit auch dazu führt, dass wir ein paar mehr Kilometer am Tag laufen, dann passiert gewichtstechnisch folgendes, wenn wir 800 Gramm Lebensmittel pro Tag einplanen:
km pro Tag | 15 | 20 | 25 | 30 | 35 | 40 |
Lebensmittel | 8kg | 6kg | 4,8kg | 4kg | 3,43kg | 3kg |
Tage auf Tour | 10 | 7,5 | 6 | 5 | 4,29 | 3,75 |
Durch unsere leichtere Ausrüstung sind wir schneller unterwegs, was dazu führt, dass wir Distanzen schneller überwinden. Das führt dazu, dass ich weniger Wasser und Lebensmittel tragen muss. Somit bin ich schneller am Ziel oder am nächsten Versorgungspunkt der Tour.
Das reduzierte Gewicht von Lebenmitteln und Wasser kann durchaus dazu führen, dass ich noch schneller unterwegs sein kann.
Daher kommt letztlich auch der Begriff „Gewichtsspirale“. Sobald ich einmal Gewicht reduziere, führt das automatisch zu weiteren Gewichtsreduktionen, die wiederum zur schnelleren Überwindung von Distanzen führen und somit wieder ein niedrigeres Gewicht ermöglichen.
Schöne Gleichungen, die du da aufgestellt hast. Wenn man es genau nimmt, dann spielen wahrscheinlich noch ein paar andere Faktoren da rein, aber im Groben stimmt das sicherlich 🙂
Wieder ein Argument mehr für UL-Wandern.
Danke für die Kommentare.
Hoffentlich öffnen die Zahlen dem ein oder anderen die Augen.
Ich glaube, dass die allermeisten Trekker nämlich nicht eine bestimmte Zahl von Tagen draußen sein wollen,
sondern einen bestimmten Trail laufen wollen. Völlig egal, ob es der West Higland Way, der West Coast Trail
oder der Rennsteig ist.
Wenn ich das jetzt dank leichter Ausrüstung ein bisschen fixer und leichter hinbekomme, dann hab ich neben
Gewicht am Ende auch weniger Urlaubstage einsetzen müssen, was gerade für Berufstätige auch nicht verkehrt ist.
CU
Eigentlich logisch, wenn man darüber nachdenkt und sich damit eingehend beschäftigt.
Hoffentlich lesen diesen Beitrag möglichst viele Trekker von der schweren Seite der „Macht“ :- )
Vielen Dank für diese Aufklärung!
Danke für diesen Artikel. Interessante Betrachtungsweise, die ich so noch nicht vor Augen hatte.
Freue mich schon auf weitere Artikel.
Danke für den Kommentar.
Muss auch mal öfter bei Dir reinschaun.
CU
Carsten
Danke für deine sehr gute Erläuterung des Zusammenhangs zwischen Gewicht und Geschwindigkeit. Ist eigentlich ganz logisch, wenn man drüber nachdenkt. Ich denke, in den Bergen bei Strecken mit vielen Höhenmetern macht sich leichtere Ausrüstung noch mehr positiv bemerkbar. Ganz zu schweigen von der geringeren Belastung der Knöchel und des Rückens. Wenn ich manchmal sehe, was die Leute alles die Berge hoch schleppen, wird mir ganz anders…
Kompliment! Die beste deutsche Aufarbeitung der Gewichtsspirale, so wie sie Ray Jardine erklärt hatte. Das mit dem Wasser finde ich da überhaupt interessant. Da habe ich noch gar nicht so darüber nach gedacht.
Gruß hikingharry
Danke 🙂
Von nem UL-Urgestein wie Dir tut das doppelt gut.
Mit Zahlenbeispielen tut sich – so meine Theorie – auch der schwere Trekker
leichter das Konzept zu verstehen.
CU
Carsten
Der Artikel ist ja ganz nett, aber leider konnte ich mich ab der Hälfte nur noch auf das „Speisen und Getränke“-Foto konzentrieren und erinnere mich jetzt an nichts mehr, was du eigentlich geschrieben hast.
Speisen und Getränke. SPEISEN UND GETRÄNKKAAAHHHH!
🙂
Und eigentlich ist das Foto auch schon wieder ein wichtiger Hinweis. Gerade bei Touren in den Alpen (das Foto wurde auf der Lechquellenrunde geschossen) brauch man gar nicht soviele Lebensmittel. Nach recht kurzer Zeit im Freien möchte unser Magen alles essen, nur nicht das, was im Rucksack hat 🙂
Gute Planung=weniger Gewicht
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Danke für den Beitrag. Finde ich sehr einleuchtend und errinnert mich an Ryan Jordans Leichtwanderbibel. Er jongliert hier auch fleißig mit Zahlen, aber letzt endlich ist es in der Summe das was Leichtwandern sinnvoll macht.
Was manchmal neben all den Zahlen ein bisschen untergeht ist der Umstand, dass leichte
Ausrüstung nicht reines Zahlenwerk und auch nicht Ausrüstungsfetischismus pur ist,
sondern die Möglichkeit auch in fortgeschrittenem Alter oder bei gesundheitlichen
Problemen weiterhin seinem Hobby nachgehen zu können.
Danke für den Vergleich mit Ryan Jordan 🙂
CU
Carsten
Ich fürchte, ich bin von der „schweren Seite der Macht“. Aber ich bin seit Jahren am Reduzieren, wo es nur geht. Dieses Jahr werde ich wohl den Fokus auf Ultraleicht legen, denn so manche Tour im vergangenen Jahr hat meinen Rücken arg mitgenommen!
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Hallo,
bin leider erst jetzt auf diese Seite gestoßen. Bin bis jetzt eher aus psychologischen Motiven an diesem Thema interessiert.
Meine Selbsterkenntnis: gebe ich meinem Instinkt nach, nehme ich alles mit, um für alle Eventtualitäten gewappnet zu sein. “Fight your fears“…
Leider bin ich auch Skeptiker. Eigentlich stimme ich der Aussage zu. Allerdings mit zwei entscheidenden Einschränkungen:
ES GIBT EINEN ENERGIEGRUNDBEDARF, egal ob ich x km zurück lege oder nicht.
DER ENERGIEBEDARF STEIGT MIT ZUNEHMENDER BELASTUNG, hier mit zunehmender Geschwindigkeit.
Daraus folgt für mich, die Zahlenreihen stimmen nicht mal theoretisch. Verbummle ich einen Tag, brauche ich x Liter Wasser und x kg Nahrung. Gehe ich mit 3 km/h, brauche ich xx Liter Wasser und xx kg Nahrung. Gehe ich mit 6 km/h, brauche ich xxx Liter Wasser und xxx kg Nahrung. Mathematiker können sicher die Menge berechnen, die optimale Energieeffizienz bietet.
Liebe Grüsse, Walter
Hallo Walter,
danke für Deine Nachricht. Bei der positiven Gewichtsspirale erreiche ich die höhere Geschwindigkeit nicht durch ein mehr an Anstrengung, sondern ein weniger an Gewicht. Mit einem schwereren Rucksack gehst du automatisch langsamer.
Somit stimmt deine Grundaussage zwar, in dem von mir skizzierten Fall dann aber doch nicht.
Gruß