Von 0 auf 100 in 24 Stunden – Langstrecken-Wandern untrainiert

2 Monate vor dem Start war ich recht guter Dinge. Noch 2 Monate! Ausreichend Zeit, um meinen Körper auf die Strapazen einer Wanderung von 100 Kilometern am Stück vorzubereiten.

Ein bisschen Aufschieberitis später saß ich dann neben Knilch im Auto und wir waren auf dem Weg nach Jena. Bodymass-Index im leicht-übergewichtigen Bereich und untrainiert. Beste Vorraussetzungen also, um die „Horizontale“ rund um Jena mit Ihren 100km zu bewältigen.

Von Pico einem Mitstreiter aus dem Trekking Ultraleicht Forum bekam ich im Vorfeld noch ein paar gute Tipps, die ich mir zu Herzen nahm:

1.)Dauernd essen und trinken, selbst wenn man irgendwann keinen Hunger bzw. Durst hat. Beim Laufen vergeht einem nämlich echt der Appetit und der Körper braucht die Kalorien und die Flüssigkeit.

2.)Der Hammer kommt bei ungefähr km 70, wenn dann alles weh tut und es echt schwer wird. Nur soviel vorweg…wenn man kein trainierter Trailrunner wie Pico ist, dann kommt der sogenannte „Hammer“ schon bei Kilometer 40…aber dazu später mehr.

Einfach gesagt läuft man bei der Horizontalen genau einmal um Jena herum. Während die vielen Plattenbauten landschaftlich das Herz nicht höherschlagen lassen, bietet der umliegende Thüringer Wald und die Felshügel um Jena herum ein wirklich tolles Gelände zum Wandern. Der Aufwand für dieses Spektakel ist enorm und dank der unzähligen Freiwilligen und Ehrenamtlichen bleibt die Horizontale auch für Leute mit schmalem Geldbeutel ein bezahlbares und vor allem unvergessliches Ereignis.

Bis zur ersten Versorgungsstation konnte ich persönlich dieses Ereignis auch uneingeschränkt genießen. Das Wetter war schön und ich bin in einer sehr netten Gruppe gelaufen. Knilch, mit dem ich hergefahren war und Pico hatten sich auf und davon gemacht. Übrig in meiner Gruppe waren die Beuteltiere (Basti und Rike), Mr. Hardstone und Quasinitro. Ja…wer genau hinschaut entdeckt hier ein verstecktes Treffen des Trekking Ultraleicht Forums.

Und schon bei der ersten Versorgungsstation habe ich mir einen Spitznamen erarbeitet, sowie Weichen für die Zukunft gestellt. Knacker! Außer mir schienen diese mit Metfleisch gefüllten Mega-Würste niemanden zu schmecken. Mir schon und ich aß gleich mal zwei. Schließlich lagen noch knappe 80km vor uns. Die ausgeklügelte Mischung aus Fett, Eiweiß und den zur Krampfprävention so wichtigen Salzen sah ich persönlich in den Knackern mehr als gegeben.

Nach Verlassen der ersten Versorgungsstation ging es dann in der Dunkelheit weiter. Und früher oder später war ich dann doch recht froh noch Freitag morgens eine Petzl Myo XP auf die schnelle gekauft zu haben. Natürlich habe ich auch noch andere kleinere Stirnlampen im Schrank, aber die gescheite Leuchtpower hat erst die Myo XP mitgebracht.

In Richtung 2. Verpflegungsstation musste ich nämlich wie schon angekündigt feststellen, dass der Hammer für mich eben nicht erst bei km 70 kommt. Gerade der Abstieg zur 2. Station war knietechnisch der Hammer. Bei der 2. Verpflegungsstation angekommen durfte ich ein zweites Phänomen des Langstreckenwanderns erleben, nämlich Kälte! Objektiv gesehen war es wahrscheinlich gar nicht so kalt. Der Wetterbericht hatte irgendwas um die 10-12 Grad für die Nacht vorhergesagt. Sobald ich aber ein paar Sekunden stand, fing ich brutal an zu frieren und zwar schüttelfrostartig. Gut, wenn man jetzt noch ein paar warme Sachen dabei hat. So zog ich mein Fleece, meine Windjacke und meine Regenjacke, sowie Mütze und Handschuhe an. Dann ging es. Neben lecker Knackern (wieder 2 Stück) gabs Kaffee, trockene Brötchen und wie an den anderen Stationen auch…haltet Euch fest…Cola light. Warum denn keine normale Cola mit ordetnlich Kalorien? Egal! Wir mußten weiter.

Allmählich tat den meisten in der Gruppe so einiges weh und bei km 50 verloren wir dann die Beuteltiere. Wir waren zunächst nicht weit auseinander, allerdings hat sich Rike irgendwas an den Knöcheln geholt (ich hoffe es geht Dir wieder gut). Etwas enttäuscht haben Basti und Rike abbrechen müssen. Nichtsdestotrotz waren die beiden noch dabei als wir aus der Dunkelheit zurück ins Licht gelaufen sind 🙂

Wenn man dann an der 3. versorgungsstation schon ziemlich platt ist und weiß, dass man bei einem Schnitt von 5 km/h noch 7 Stunden bis ins Ziel braucht, dann muss man schon etwas mentale Stärke aufbringen, um nicht die Autobahnbrücke hochzuklettern und sich schreiend von oben auf die Versorgungsstation fallen zu lassen 🙂

Glücklicherweise hatten wir kurz vor der Station Tati getroffen, die an der 35km langen Mini-Horizontale teilnahm (Start war hier Samstag morgens)und uns anfeuerte bevor sie weiter joggte. Natürlich könnte ich jetzt noch jeden weiteren Kilometer ausschmücken. Letzlich war es einfach super-anstrengend, allerdings gab es noch ein paar interessante Dinge, die ich auflisten möchte.

1.)Wahrnehmungsstörungen: Zweimal war ich während der Tour so müde, dass mir fast ein wenig schummerig wurde und ich ein einen Tunnelblick bekommen habe. Ich hatte Bedenken beim Wandern einzuschlafen und zu stürzen. Das Gefühl ist in meinen Augen vergleichbar mit dem Gefühl, dass man wahrnehmungstechnisch kurz vor dem Einschlafen bei einem Sekundenschlaf im Auto hat.

2.)Hunger und Appettit verschwinden tatsächlich und man muss sich wirklich zwingen zu essen. Zwangsläufig entwickelt man direkt nach Abschluß der Veranstaltung und schon währenddessen eine gewisse Aversion. Knacker z.B. werde ich , Spitzname hin oder her, so schnell nicht mehr essen und auch die Powerbars (9 Powerbar Natural = ca. 1500 Kilokalorien) und Oat Snacks (4 Stück je 267 Kilokalorien) mag ich nicht mehr so gerne.

10km vor dem Ziel machte sich Frank (MrHardstone) auf und davon während Nitro und ich die nicht enden wollende verbleibende Strecke in Angriff nahmen. Extrem müde, ausgepowert und schlapp hunpelten wird dann Richtung Ziel. Der Rest der Gruppe war direkt am Ziel und feuerte uns für die letzten Meter an und mit ein bisschen Stolz humpelte ich über die Ziellinie und hatte es geschafft…

…100 km am Stück untrainiert 🙂

Hier noch ein paar harte Fakten zu meiner Wanderung

883 Wanderer und Wanderinnen waren dieses Jahr auf der langen Distanz unterwegs,doch die Spreu sollte sich schnell vom Weizen trennen. Meine Zeiten seht Ihr auf dem Bild, die Platzierung hier in der Liste

  • Teilstrecke 1 – Wogau – 21,2 – 827.von 877
  • Teilstrecke 2 – Rosental – 11,5km 496. von 642
  • Teilstrecke 3 – Papiermühle – 10,6km 442/640
  • Teilstreck 4 – Wanderheim Leutra 22,0 km 579/614
  • Teilstrecke 5 – Hohlweg Sommerlinde 22,0 km 319/602
  • Teilstrecke 6 – Fürstenbrunn 7,7 km 525/598
  • Teilstrecke 7 – USZ 3,7 km 515/601

Horizontale Jena

Und… auch schon Lust bekommen 😉

Auch der Knilch hat schon einen tollen Bericht von der Horizontalen.

7 Kommentare zu “Von 0 auf 100 in 24 Stunden – Langstrecken-Wandern untrainiert

  1. Rio

    Knacker! 🙂
    Und so knapp unter 24Std. zu bleiben ist doch echt klasse.
    Gerade Du, welcher so viel Langstrecken-Erfahrung hat, musste sich dann doch „abkämpfen“. Knapp 100km auf einmal zu gehen ist echt nicht Ohne.
    Vielen Dank für den Bericht und die Tipps. Nächstes Jahr bin ich mit dabei…

    LG Rio

    1. admin Autor des Beitrags

      Hey Rio,

      wir hätten Dich eh alle gerne dabei gehabt. Nächstes Mal halt, wenn die Gesundheit mitmacht.

      CU

    1. admin Autor des Beitrags

      Snickers kann ich seit meinem AT-Thruhike nicht mehr essen. Habe da über nen Zeitraum
      von ein paar Wochen statt Energieriegeln halt Snickers gegessen. Um die 4 Stück an Tag über
      mehrere Wochen …

      Snickers…wenn´s mal wieder länger dauert 😉

  2. Steinwaelzer

    Vielen Dank für den Bericht! Und Respekt für die Leistung!
    Was versteht Du für Dich als „untrainiert“? Ich überlege noch, ob ich in 2 Wochen an einer 50 km-Wanderung teilnehme. Untrainiert…

    1. admin Autor des Beitrags

      Hi Sabrina,

      wenn Du hin und wieder mal wanderst, dann bekommst Du die 50 km sicher hin.

      Untrainiert heißt bei mir, dass ich schon monatelang nicht mehr ernsthaft Sport gemacht
      habe.

      CU

      Carsten

  3. Moni

    Danke für Deinen tollen Bericht und Respekt vor dieser beachtlichen Leistung! Man muss einfach mal so verrückte Sachen machen, die vergisst man sein Leben lang nicht! Hoffe ich hab auch noch mal so viel Mut so etwas zu probieren!

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