Tourbericht GR11

24.05.05

Beim Einchecken nach Santander/ Bilbao bekomme ich es verdeutlicht: mein Rucksack wiegt 32kg.
Ich weiss, es ist zu viel, in dem Moment denke ich nur, hoffentlich halte ich es aus, bis ich den
Nahrungsvorrat dezimiert habe…

Vom Cabo de Higuer, wo ich mich in freudiger Erregung vor dem Leuchtturm fotografieren
lasse und Wasser noch auflade (1,5l=1,5kg mehr), starte ich um 17h den Weg. Die Markierung des GR 11 ist
bereits hier vorhanden. Erst viele Kilometer lang durch das flache Irun und Hondaarríbia,
wo ich die einzige Person mit Rucksack zu sein scheine und mir das Gewicht nichts ausmacht.

Kaum verlasse ich das Städtchen, beginnt der Wanderweg mit einer steilen Passage, die
mich jedes Kilogramm zu viel zu deutlich spüren lässt…Und davon habe ich nicht zu
wenig. Auf diesem Stück schon beginne ich zu überlegen, was ich loswerden könnte, denn
das Wandern sollte ja Spass machen und der kommt bei mir noch nicht an.

Kurz und gut an
den ersten zwei Tagen, an denen ich mich regelrecht überrede, Strecke zu machen (wo das
nächste Postamt in Vera de Bidasoa wartet), leide ich so sehr unter dem Gewicht, dass
ich voll und ganz diese extremen Leute zu verstehen beginne, die sogar so weit gehen und
den Griff der Zahnbürste absägen, nur um ein paar Gramm zu sparen: ich kann mich bloss
auf Baumstämme setzen (=Erhöhungen), um kurz zu rasten, denn vom Boden aus ist der Rucksack
fast unmöglich zu heben, einmal schlafe ich vor Erschöpfung sogar kurz ein und als ich
einmal eine falsche Abzweigung nehme und mir klar wird, dass ich einen Anstieg wieder
zurück muss, geht das nur unter Aufbringen von viiieeel Willenskraft. Die ganze Woche
über habe ich Temperaturen von über 30*C und mein Wasserverbrauch liegt bei ca. 5,5l pro Tag.

26.05.05

In Vera de Bidasoa 56m darf ich bei einem freundlichen Bauern auf dem Feld das Tarp aufschlagen,
ich habe trotz des schweren Gewichtes jeweils 17km bewältigt. Nach der abendlichen Hygiene
mache ich mich daran, Dinge auszusortieren: einen zweiten spanischen Führer mit extra Karten,
den/ die ich mit dem englischen Führer des GR 11 vergleichen wollte, Müsli, Nüsse, Powerbars
(behalte immer noch ca. 12 Stück), ein dünnes Taschenbuch (aber was weg ist, belastet nicht
mehr), Gesichtscreme und noch ein paar Kleinigkeiten. Das Shampoo z.B., mit dem ich nicht
nur Haare, sondern auch mich und die Wäsche waschen möchte, wiegt auch einiges, genauso wie die
Kontaktlinsen-Flüssigkeit aber sie müssen trotzdem
mit. Dem freundlichen Bauern schenke ich eins von meinen Nussmixen.


Immerhin oder nur 5kg leichter mache ich mich weiter auf dem Weg und nach 24,5km über
rollende Hügel und grüne Wiesen kurz vor Elizondo richte ich mein Camp ein. Ein wolkenfreier
Himmel mit unzähligen Sternen geht über mir auf.

27.05.05

Nach guten 1,5h Gehzeit erreiche ich Elizondo 202m, wo ich mich erst mal mit leckeren Bananen belohne
und Zitronenlimo, die das Wasser etwas aufpeppt. Die Auswahl an wirklich gutem, lokalem Honig ist
verlockend aber ich bleibe hart aber sabbernd davor. Die Kassiererin ist so nett und erlaubt mir,
mein Handy neben der Kasse aufzuladen, auch wenn sie etwas erstaunt über diese Anfrage ist.
Also geniesse ich eine längere Pause in dem hübschen Städtchen mit vielen alten Häusern,
die an die Fachwerkhäuser bei uns erinnern. Schliesslich mache ich mich auf den Weg, der
dem gestrigen sehr ähnelt.

Immer wieder fülle ich meine Wasserflaschen unterwegs auf bei kleinen Quellen, die grösstenteils
im Führer eingetragen sind. Vor dem Refugio Casa Pablo entdecke ich eine recht versteckte aber
luxuriöse und neu wirkende mit grossem Becken und beschliesse, die Mittagsrast hier zu machen,
zu kochen und Wäsche zu waschen. Die Sonne ist so heiss, dass ich die Wäsche trocken einpacken
kann.

Nach der Pause und einem Stück Weg ist die Beschreibung des Weges derart, dass ich
fälschlicherweise auf einen Berg, der zunehmend steiler wird, hochlaufe. Als das Ganze in Klettern
ausartet und die Markierungen verschwinden, beschliesse ich doch, das letzte anstrengende Stück
bis zur zuletzt gesichteten Markierung zurückzugehen, als den Berg auf der anderen Seite mit dem
schweren Rucksack hinunterzuklettern. Schliesslich kenne ich das Gelände nicht. Ich habe eine ganze Stunde
verloren und wertvolle Kräfte bei dieser Aktion und es ist bereits 18h. Wie ich später erfahren
sollte, erging es zwei GR 11-Wanderinnen an dieser Stelle gleich – was mich beruhigte, denn man
fängt schon an zu zweifeln.

Nun, es
sollten mir noch weitere 6h bevorstehen bis zu meinem für diesen Tag vorgenommenen Ziel. Auf
und… auf und wenig ab mit dem Kompass bewaffnet über weite Hochebenen an vielen Schafherden
vorbei und auch an freilaufenden Pferden. Der Wind fing an zu pfeifen und fast wird es mir
unheimlich. Ich gehe zügig, denn ich möchte das Licht noch ausnutzen. Die Strecke zieht sich wie
Kaugummi – zumindest ist das mein Gefühl. Zum Schluss geht es nur noch bergab bis zum Puerto
de Urkiaga, einer Senke, und ich komme im Dämmern und müde an. Muss enttäuscht feststellen,
dass die eingetragene Quelle sich ca. 2km weiter südlich befindet.

Just in dem Moment, wo ich mein Tarp aufschlage, muss jemand vorbeikommen – angeblich ein Schäfer,
aber wo sind die Tiere?? Ich nehme sein Angebot nicht an, mich bis zur Quelle fahren zu lassen.
Ich schlafe fast gar nicht und wache bei jedem Rasseln im Walde auf, eine kleine Waldmaus traut
sich ganz nah ran, wohl durch den Duft meiner Nüsse angelockt.

28.05.05


Beim ersten Dämmern packe ich flugs meine Sachen zusammen und mache mich auf den Weg. Nebel zieht
auf. Da ich kein Wasser mehr habe, muss ich eine kleine Hütte mit Quelle anwiesieren, die abseits
des Weges liegt, in der freien Ebene. Die Nebelsuppe ist jetzt so dick, dass ich mit Ästen und
später mit Steinhäufchen Markierungen setze, um nachher den Weg zurückzufinden zum Hauptweg.
Die Hütte ist nicht zu sehen. Und dann ist etwas zu erahnen, ja, da ist sie! Mache Pause, koche
mir eine Suppe, will abwarten, dass der Nebel sich lichtet, sonst ist keine Markierung zu erkennen auf
der freien Ebene. Die Pause tut auch meiner linken Achillessehe gut, die angefangen hat sehr
stark zu schmerzen – durch die Überbelastung. Meine Vermutung lautet Sehenentzündung. Nach einigen Stunden,
in denen ich auch etwas
Schlaf der letzten Nacht nachgeholt habe, kann ich weiter. Muss ganz flach gehen und den linken
Fuss nicht abrollen, wenn ich nicht brennende Schmerzen ertragen will. An diesem Tag erreiche
ich Burgete, leider zu spät für den Supermarkt und so muss ich auf Obst und Gemüse schweren
Herzens verzichten.

Burgete 898m und das nah gelegene Roncesvalles 952m werden ebenso von Pilgern des Jakobsweges gekreuzt, nur
in die andere Richtung, so dass ich auf diesem Abschnitt und den folgenden noch vielen Wanderern
begegne. Sie haben alle in St. Jean du Port angefangen und laufen in Scharen an mir vorbei. Gut
ausgerüstete Leute, Leute, die wie Spaziergänger ausehen, Leute, die einen Karren mit Brustgeschirr
nach sich ziehen. Tja, sie kämen damit auch schwerlich über Weidezäune drüber, aber der Muschelweg
ist ein gut ausgebauter Weg ohne Schikanen. Ein ganz ungewohntes Bild, nach den letzten menschenleeren
Tagen. Keiner weiss vom GR11 und so werde ich gefragt, ob mir der Jakobsweg so gut gefallen habe, dass
ich ihn gleich wieder zurückgelaufe. Lach!

29.05.05

Am sechsten Abend, eigentlich späten Nachmittag beschliesse ich, schon um 17h mein Camp aufzuschlagen,
da ich von der Müdigkeit übermannt werde und weil ich so eine einladende Wiese in einem Waldstück
erblicke. Schreibe noch Tagebuch und um 18h schlafe ich schon tief und fest!

Im Traum höre ich noch
Kuhglocken bimmeln und im Halbschlaf hören sie immer noch nicht auf. Merkwürdig. Um die Uhrzeit wird es doch
keinen Almabtrieb geben, denke ich! Es ist mittlerweile 21.30h und die Kühe kommen tatsächlich immer
näher. Ich springe raus, schlüpfe gerade so in meine Wanderstiefel und es geht mir ein Licht auf –
ich stehe mitten auf IHRER Wiese und sie beäugen dieses zweibeinige Wesen und das komische grüne
Ding auf dem Boden sehr neugierig.

Sie sind bis auf zu kurze Entfernung für meinen Geschmack ans
Tarp rangekommen, wollen riechen, ich hingegen befürchte bloss Kuhdung auf dem Tarp und den Schnüren
(macht keine Freude beim Einpacken) und dass eine von ihnen wohl drüberstolpert und der Hering auf
Nimmerwiedersehen verschwindet. Nun, da ich der Eindringling bin, gebe ich ihnen sanft zu verstehen,
dass ich es sehr schätze, wenn sie einen grossen Bogen um uns machen (mich und Tarp). Nachdem auch
die letzte hartnäckige Kuh abgezogen ist, lege ich mich erleichtert wieder hin. Aber die Ruhe
ist mir noch nicht gegönnt – eine halbe Stunde später schon ertönt das Bimmeln aus der entgegengesetzen
Richtung wieder! Sie wollen sich tatsächlich hier niederlassen. Ich wieder raus, in die Steifel und
verteidige das Tarp, bis auch die letzte massige Kuh die Lust verliert. Das sollte nicht die
letzte Kuh-Begegnung bleiben.

30.05.05

In der Nacht schon wechselt der Wettergott seine Strategie und sorgt für Abwechslung: es schüttet den ganzen Tag.
Da ich noch zwei Etappen ohne Einkaufmöglichkeit habe, kann ich nicht den Regen aussitzen, was im
ersten Moment sehr reizvoll erscheint. Also rein in die Regenklamotten und das sollte sich auszahlen.

Spannend sollte es werden, da der Nebel tief hängt und der GR 11-Führer empfielt, an einer bestimmten
Stelle nicht den Markierungen zu folgen, sondern sich östlich zu halten und in eine Schlucht abzusteigen,
bis die Markierungen wieder zu sehen sind. So komme ich zu einer unfreiwilligen Canyoningeinlage bei
strömenden Regen und sehr glitschigen, steilen Boden. Nun ja, wenn man nichts besseres zu tun hat…Das
sollte auch das letzte Mal bleiben, wo der Führer mit dem Weg nicht übereinstimmte. Die zwei Mädels,
die wir beim Refugio de Goritz trafen, machten ähnliche Erfahrungen hier.

An diesem Abend sollte ich
wieder mit dem Kompass an einem nebelbedeckten Pass Paso de las Alforcas 1440m stehen und darauf warten,
dass eine Windböhe das
Refugio sichtbar macht. Das tat es auch und zwar rechtzeitig, denn es ist eisig kalt.

31.05.05


In Ochagavía 770m, wohin ursprünglich Carsten kommen sollte ist ein Ruhetag geplant, ein Neroday -nearly
zero day, nur nearly zero, da ich schon einige Kilometer bis dahin zu laufen habe. Als erstes falle ich vollbepackt in
einen Supermakt ein, habe richtig Heisshunger
auf Obst.

Nach der belebenden Dusche auf dem Campingplatz, die ich wirklich auskoste und die Körperpflege
geniesse, nach dem Waschen der Wäsche, gehe ich mit dem Fotoappara gerüstet in das Dörfchen und bewundere die
schönen Häuser, die gepflastertetn Gassen, die Atmosphäre.

Später bemerke ich einen kleinen Laster,
wo Hausfrauen frische Ware kaufen, ich stelle mich an und erstehe noch mehr Obst und drei faustgrosse
Tomaten, da Carsten schliesslich morgen kommt und ich ihn gebührlich empfangen möchte. Wenig später
ruft er mich an, dass es wegen der Verbindungen besser ist, wenn wir uns nicht in Ochagavia sondern
in Isaba treffen. Das bedeutet so viel wie, dass ich eine Tagesetappe zu laufen habe und einen
Obst- und Gemüseüberschuss habe…Also werden später am Abend noch die Orangen gegessen, obwohl
ich schon papp-satt bin. Die Tomaten und Bananen muss ich wohl schleppen.

01.06.05

Auf dem Weg nach Isaba, der bis auf das letzte Stück wenig spektakulär ist, treffe ich eine grosse
Gruppe spanischer, wandernder Rentner – allesamt sehr fit und schnell. Die Ermita de Nuestra Senora
de Idoya, an der der GR11 nach einem langen, steilen, verwinkelten Abstieg rauskommt, ist sehr
idyllisch mit dem blumigen Garten und lädt zum Verweilen an. Beim Bäcker in Isaba muss man klingeln
– der Kundenverkehr wird so sporadisch sein, dass es ich nicht lohnt, ständig im Laden zu stehen.
Der kleine Supermakt ist sehr gut sortiert und offeriert sogar Vollwertprodukte aus Deutschland an!

Carsten ist gut angekommen 🙂 wir treffen uns problemlos an der einzigen Haltestelle im Ort und er
hat Leckereien mitgebracht, Schokoriegel, Nüsse und…zwei Leichtgewichtsrucksäcke von Gregory. Wir
packen am selben Abend noch um und stellen fest, dass wir doch nicht mit den beiden Leichten wandern
können, da ca. 10-15l Volumen einfach fehlen. Am nächsten Morgen gehen wir zum kleinen Postamt –
ein Zimmer auf 1 x 2m – und der freundliche Beamte verschickt weitere unnötige Pfunde heim.
Interessanterweise erzählt der stark bebrillte Mann, dass zwei weitere Gruppen hier Halt gemacht
und Dinge verschickt hätten.

Carsten besteht darauf, den grösseren Rucksack zu tragen und ich darauf, dass ich weniger Klamotten
und mehr Essen, die Wasserflaschen und den Spiritus trage, um den Unterschied etwas auszugleichen.
Ich hatte den grossen Rucksack in dem Glauben gekauft, einen Allround–Ausrüstungsgegenstand zu
erwerben, mit dem ich alles machen kann. Das ist grundsätzlich möglich, aber auf dieser Tour
lerne ich, dass eine Langstreckenwanderung derartige spezielle Ansprüche stellt, die auch solch
spezielle Ausrüstung erforderlich macht. Es sei denn, man hat Spass daran, sich mit unnötigem Gewicht zu quälen…

02./03.06.05


Ab Isaba 818m führt der Weg durch wildere und höhergelegene Abschnitte und sogar über einen
Berggipfel, den Pena de Ezkaurrí 2047m, den man tatsächlich erklettern muss – 300 Höhenmeter
vollkommen im Fels, so dass wir die Stöcke wegpacken müssen und Acht geben müssen, dass uns
die Rucksäcke nicht nach hinten ziehen beim Kraxeln. Sehr schöne Aussichten entlohnen uns
immer wieder unterwegs.

Im Tal des Flusses Río Aragón Subordan haben wir es erneut mit sehr neugierigen Kühen zu
schaffen – wir gewinnen den Eindruck, dass sich alle Kühe Spaniens hier ein Stell-Dich-Ein
geben! Natürlich möchten sie dem Tarp viel zu nahe kommen. Die Jüngeren vor allem sind verspielter und frecher.
Carsten macht sich gut als Wachposten,
während ich Wäsche wasche und ein paar Dinge einrichte, dann übernimmt er das Kochen des Abendessens,
während ich die Kühe aud Distanz halte.

04.06.05


Im hängenden Tal von Aguas Tuertas, wortwörtlich „schiefe“ Wasser, windet sich der Fluss flach
und mäanderartig durch das grüne, richtig platte Tal – ein bezaubernder Anblick. Hier können wir nicht
von Stein zu Stein hüpfen und müssen den Fluss barfuss überqueren, was einer Kneippanwendung ähnelt.
Eisig war´s. Kurze Zeit später sind die jetzt noch besser durchbluteten Füsse trocken und es kann
weitergehen.


Zwei spannende Gebirgsbachquerungen vor Cadanchú stehen uns noch bevor, das Gefälle
ist beträchtig und die Wassermenge ebenso. Das Getöse des Wassers liess sich bereits aus der Ferne
vernehmen. Nach Erkunden der besten Route und Öffnen des Bauchgurtes hüpfen wir nacheinander von Stein
zu Stein. Einen kleinen Adrenalinschub hat´s trotzdem gegeben.

In Cadanchú, einem Wintersportort, der im Sommer wie ausgestorben wirkt, kaufen wir in einem tatsächlich
noch existierenden Tante-Emma-Laden ein. Die ältere Dame mit ungesunger Hautfarbe (einfach zu blass) hat
ein weitreichendees Sammelsurium von Nahrungsmitteln natürlich über Gürteln, Regenschirmen, Sonnenbrillen,
Anstecknadeln und alles auch noch von anno dazumal, daher sehen sie aus wie Ladenhüter.

05.06.05

Von Cadanchú 1550m nach Sallent de Gallego 1305m gehen wir ein langgezogenes, schönes Tal hinauf an vielen
Bächen vorbei, bis wir auf ein Plateau 1780m gelangen mit einigen Seen: die Ibons d´Estanés, um die herum noch viel
Schnee liegt. Die Sonne brennt schon heiss herunter, der Schnee ist aufgeweicht. An ein paar Stellen bin ich
eingebrochen, jedoch nur wadentief. Dort lassen wir uns fotographieren und dieses Bild ziert die Homepage.
Es ist Sonntag
und das merkten wir an den vielen Tageswanderern. Die Seen sind von beiden Seiten leicht zu erreichen.

Nach dem Abstieg von dieser Hochebene, immer noch idyllisch am Fluss wagt es Carsten, sich die Haare zu waschen,
was nicht schmerzfrei einhergeht – so eiskalt ist das Wasser, das es einem Kopfschmerzen verursacht!

06.06.05

Im hübschen Dorf Sallent de Gallego, das als Winterschiort sicher mehr auflebt, gönnen wir uns ein königliches Frühstück,
nachdem wir im Supermarkt unsere Vorräte aufgestockt haben. Bananen, Joghurt, Paprika werden gleich mal verspeist, der
Honig wird in ein Plastikgefäss umgefüllt, leckeres Brot gibt´s auch dazu. Beim hiesigen Postamt schicken wir unser
letztes Päckchen heim, es enthält einen der beiden Leichtgewichtsrucksäcken.

Diese Tagesetappe des GR11 zum Ibon de Llena Cantal 2450m erweist sich als ein Tag der Erlebnisse. Es fängt schon
mit einem Welpen der Rasse des Pyräneisches Berghundes an, der bereits so gross ist wie ein Kalb und wir erfahren, dass
mehrere solche Hunde es mit Bären aufnehmen und sie besiegen können.


Wir machen uns auf den Weg. Zuerst gehen
wir an einem Stausee vorbei der so türkis erstrahlt wie auf einem Reisepropekt für die Karibik. Am Fluss, der
ihn speist, ist ein kleiner Parkplatz mit Bänken und ein leichter Zugang zum Wasser. Da die Sonne scheint,
beschlissen wir spontan, Wäsche zu waschen und ich meine Haare. Es ist schon etwas aufwendiger, als zu Hause
unter der Dusche. Carsten hilft mir mit dem Ausspülen und muss Pausen einlegen, da das Wasser so eisig ist
und da auch ich davon Schmerzen bekomme.
Erfrischt setzen wir den Weg fort. Überall sind grosse Wasserfälle zu sehen, einer schöner und beeindruckender
als der nächste.

Beim Refugio de Respumoso 2200m, das Ausgangspunkt ist für alpine Klettertouren auf die umgebenden Gipfel und
sogar eine Hubschrauber-Ruf-Station aufweist, kochen wir uns etwas Leckeres. Wir haben diesmal 500g Tomatensauce
mitgenommen, wohlwissend, dass wir sie zu Mittag verbrauchen würden und dass das Gewicht reduziert
werden würde.

Die grosse Hütte ist schön gelegen an einem
grossen Stausee, der mir anschliessend wieder als Fotomotiv dient. Die Wäsche trocknet schnell in der Sonne
und bevor wir weitergehen, können wir sie einpacken. Die Berggipfel, die Kiefern, das Wasser und die Wolken
vor dem blauen Himmel wirken atemberaubend und ich fotographiere darauflos. Ein paar Fotos davon sind in der
Bildergalerie zu sehen.

Durch den späteren Start an diesem Resupply- und Posttag ist es mittlerweile auch
schon 18h und als wir auf 2000m zwei breitere Flüsse queren müssen, hat die wärmende Kraft der Sonne
nachgelassen. Auch wenn es uns widerstrebt, denn es ist frisch geworden, um nicht zu sagen kalt, müssen
wir die Schuhe ausziehen und die Hosen hochkrempeln. Man kann keinen Fluss wirklich schnell queren, vor
allem, wenn er stellenweise tiefer ist, denn man muss vorsichtig gehen, den Untergrund spüren,
sich richtig gegen den
Wasserdruck stellen, um doch nicht auszurutschen und ein unfreiwilliges Vollbad zu nehmen bzw. sich zu
verletzen und die Ausrüstung ungewollt zu waschen. Es ist so eisig, dass die Beine schmerzen
und ich bin versucht, es rauszuschreien. Nach dem
zweiten Fluss ist uns so kalt, dass wir uns einmümmeln müssen, ausserdem weht jetzt auch noch ein kalter
Wind.


Unser Camp richten wir auf 2200m auf einer grossen, blumigen Wiese ein, umgeben von lauter hohen
Gipfeln. Wolken fegen vorbei, bis wir dann einen späten Sonnenuntergang erleben in glasklarer Luft.

07.06.05


An diesem Morgen bleiben wir in den Schlafsäcken und frühstücken so, es ist recht frisch und wir müssen noch
hoch hinauf. Heute überqueren wir den Collado de Tibaray, 2784m, der auf den ersten Blick gar nicht wie ein
Pass aussieht, denn der Weg dahin über Schnee und Fels und dann nur noch Schnee ist so steil wie bisher noch
nie. Jeder Schritt erfordert hohe Konzentration, wir müssen uns Tritte in den Schnee treten und vorsichtig
sein – ein Fehler und wir würden ins Tal runterrutschen.


Die Aussicht ins andere Tal ist wiederum gewaltig!
Über ein langes Schotterfeld gehen wir zum nächten Pass Cuello d´o Infierno, was so viel heisst wie
Höllenpass. Bis zu den Seen Ibón Azul Superior 2410m haben wir einen Höllenspass, auf den Schuhen richtig
Schi zu fahren, so überwinden wir recht flott 300 Höhenmeter. Dort treffen wir einen Spanier aus
Pamplona, der auch ein Fan des GR11 ist und beneidenswerterweise viel häufiger hierher kommen kann.

Der Abstieg nach Balneario de Panticosa 1640m zieht sich in die Länge, immer wieder Serpentinen. Der
Canyon und der Fluss, an denen sich der Weg entlangschlängelt eignet sich super zum Canyoning, vermute
ich – zumindest, das, was man vom Weg aus sehen kann, lässt auf mehr hoffen: grünes, klares Wasser,
Pools, hohe Wasserfälle, glattgespülte Steine, einfach schön.

08.06.05

Nach San Nicolás de Bujaruelo 1338m erwartet uns wieder ein langer Anstieg und ein noch etwas längerer
Abstieg durch das lange, wilde Tal des Río Ara. Unsere Vorräte reichen noch für ein deftiges Mitagessen aber
alle Treats sind schon verspeist und dieser Abstieg zehrt an meinen Kräften. Mit den schönen Anblicken
versuche ich mich darüber hinwegzutäuschen. Trotz der Müdigkeit und des Hungers hiken wir ein beträchtliches
Stück. Beim zweiten Campingplatz, der einen Shop hat, fallen wir ein und machen einen Grosseinkauf – die
Hälfte davon essen wir gleich auf der Bank. Dann laufen wir gestärkt in die nächste Tagesetappe rein und
beschliessen, am nächsten Tag in Torla einen Nero-Day einzulegen, zum Einkaufen, Entspannen, Wäsche waschen
und uns selbst natürlich – das Übliche eben.

10.06.05


Nach dem Ruhetag im hübschen, mittelalterlichen Städtchen, das Sitz einiger Veranstalter für Rafting und
Canyoning ist und sogar einen grösseren Outdoorshop aufweist, beginnen wir den Aufstieg Richtung Refugio
de Goritz 2160m durch den schönen Ordessa NP. Am wilden Fluss Río de Arazas entlang, der immer wieder
beeindruckende Wasserfälle bildet, geht der Weg zuerst durch Wald hinauf. Dieser lichtet sich nach einer
Weile und macht anderer Vegetation platz: kleinere Kiefern und Büsche, die dann nach einer Weile auch
verschwinden. Das Tal endet am Circo de Soasa mit dem grossen Wasserfall Cola de Caballo, der tatsächlich
an einen Pferdeschwanz erinnert, so wie er sich auffächert. Dieser Ort ist gleichzeitig Ausflugsziel
vieler Tageswanderer, denn auf halber Strecke befindet sich ein Parkplatz im Wald.


Am Circo de Soasa kann sich der GR11–Wanderer entscheiden, ob er auf Serpentinen den steilen Aufstieg auf das Plateau
umgeht oder ob er den mit Eisenketten gesicherten, steieleren Weg wählt. Wir entscheiden uns für den letzteren,
also packen wir die Stöcke weg und erfreuen uns an der Passage und an den Ausblicken.

„The best thing about getting high is …the view“ :-))

Unweit von hier befindet sich der Refugio de Goritz 2160m, wo sich eine grössere Anzahl bergsportbegeisterter
Leute trifft. Viele haben schon den Monte Perdido und andere Gipfel bestiegen oder haben es noch vor. Da
das Wetter für den folgenden Tag nicht optimal zu werden scheint, beschliessen wir, die Besteigung des
Monte Perdido auszulassen. Hier treffen wir zwei deutsche Mädels, die auch den GR11 laufen und tauschen
uns aus.

11.06.05

Der folgende Tag beginnt früh mit einem langen, sehr steilen Abstieg durch einen gewaltigen Canyon.
An diesem Tag sehen wir mehrere Gemsen und bewundern die Geschicklichkeit und Eleganz dieser Tiere.
Nach einer langen und gemütlichen Mittagsrast mit Sonnenbad kurz vor dem Collado de Anisclo 2440m, machen
wir uns an den Abstieg in Richtung von Circo de Pineta 1290m. Dieser ist erneut sehr steil und da er im gerölligen
Gelände stattfindet, erfordert er Konzentration. Ausserdem fängt es an zu regnen. Selbst im mittlerweile
bewaldeten Stück erwarten den Wanderer Abkletterpassagen und die stark beanspruchten Knie melden sich…

Circo de Pineta ist auch ein Talende mit einem Campingplatz und einem Parador–Hotel. Wir fühlen uns gut
und setzen den Weg in Richtung Parzan 1144m fort. Dafür müssen wir aus dem Tal wieder hinauflaufen auf der anderen
Seite, erst durch Wald und anschliessend gelangen wir auf eine grosse, begrasste Ebene. Während des Aufstieges
beginnt es wieder zu regnen und da wir heute 1500 m abgestiegen und 1750m aufgestiegen sind, beschliessen wir,
dass es reicht und suchen uns ein Plätzchen zum Campen.

Wir blicken auf die Geröllfeld-Talseite, von der wir am Nachmittag abstiegen und den in Wolken gehüllten
Monte Perdido können wir nur erahnen, zu dessen Fusse sich mächtige Wasserfälle ich die Tiefe stürzen. Kaum
befinden wir uns im Tarp, geht es schon los: Es hat sich ein Gewitter zusammengebraut auf der Seite des
Monte Perdido und die Donner und Blitze wirken furchteinflössend. Der Regen ist mittlerweile sehr stark
geworden, unser Tarp hält jedoch tapfer stand und wir räumen alles so weit zur Mitte sprich zu uns, wie
es geht. Die Windstärke hat auch zugenommen. Wir harren der Dinge aus und zählen gespannt die Sekunden
zwischen den Blitzen und den Donnern. Der Lärm ist ohrebetäubend und der Abstand zwischen Blitz und Donner
nehmen erschreckend ab. Das Gewitter kommt in unsere Richtung, es ist über uns! Wir senken den Trekkingstock
ab, mit dem wir das Tarp gepitcht hatten, er ist aus Metall – wir möchten schliesslich keinen Blitz anziehen.
Die Anspannung hält noch eine Weile an, bis wir irgendwann feststellen, dass das Gewitter weiterzieht. Wir
schlafen vor Müdigkeit ein.

12.06.05


Am folgenden Morgen frühstücken wir bei einem fantastischen Ausblick auf den gegenüberliegenden Bergkamm
und da die Sonne rauskommt, legen wir das Tarp und sie Schlafsäcke zum Trocknen aus. Weidende Schafe sind
auch in der Nähe, wir vernehmen die Glöckchen.

In Parzan 1144m gibt es nur einen Tankstellensupermarkt, wir möchten aber richtig einkaufen gehen, also
trampen wir die 3km nach Bielsa, ein kleiner touristischer Ort, der abseits vom GR11 liegt. Ein netter
französischer Bergführer und seine Frau nehmen uns nicht nur mit, sondern fahren uns nach dem Einkauf auch
wieder zum Ausgangspunkt zurück. Na, wenn das mal keine Trail-Angels sind.

Auf dem Weg nach Biadós haben wir immer wieder on and off – Regen, die Landschaft zieht alle Register:
Fels, Wald, See, Fluss, Wiese. Auch wenn es nass ist, hat es was.

Wir finden Unterschlupf im Vorraum einer verlassenen Hütte, so dass wir zwar draussen schlafen aber ein
Dach über den Köpfen haben. Wir beschliessen, am nächsten Tag richtig zu pushen, um Benasque zu erreichen,
das 30km entfernt liegt. Der Wecker wird also auf 5.00h gestellt. In der Nacht gewittert es wieder so stark,
dass die Blitze taghelles Licht bringen – fast wie Wetterleuchten und es sich so anhört, als würden irgendwo
riesige Felsbrocken hinunterstürzen. Habe ich das geträu>
17.06.05


Einsame Pässe, viele Schneefelder und hin und wieder Wanderer. Bis zum wunderschön gelegenen Refugio
de Colomers im NP St. Maurici führt eine Autostrasse und an einigen Tagen herrscht dort reger Betrieb.
Wir laufen weiter durch diese Bilderbuch–Winnetou–Landschaft: hellgrüne Seen, Kiefern, Felsen, hier und
da ein Schneefleck. Nach dem nächsten Pass erwarten uns die Seen der hängenden Täler, die auch einer
Märchenlandschaft entsprungen sein könnten!

18.06.05

In Espot 1320m kaufen wir teuer ein und frühstücken wieder ausgiebig. Da es laut unserem GR11-Führer
zwischen Dorbé 1390m und Lleret 1381m keine Möglichkeit gibt, Wasser nachzutanken und da es laut dem Buch eine
heftige Strecke werden soll, beschlissen wir, nur bis Dorbé (steil) zu laufen und am nächten Morgen
frisch und mit vollem Wasservorrat zu starten. Dorbé ist ein kleines Geisterdorf, die Häuser und Höfe
sind verlassen, nur noch ein Mann mittleren Alters und sein Sohn leben dort. Der Brunnen ist immer noch
der Anziehungspunkt rps nicht
standzuhalten, die Daunenschlafsäcke werden nass, wir machen uns sorgen.

14.06.05

Alles ist durchnässt und wettertechnisch sieht es nicht nach Besserung aus. Wir beschlissen die 6+km
nach Benasque zurückzulaufen und dort eine Lösung zu finden. Wenn wir eine Lösung finden können, dann sicher
hier in diesem Megastore. Wir überlegen sogar, das Tarp einzuschicken und eventuell ein Zelt zu kaufen – die
Aussicht auf eine solche Ausgabe erfreut uns jedoch beide kaum.

Na gut, so müssen wir einen Ruhetag einlegen, der gar nicht eingeplant war, aber Benasque ist keine
schlechte Adresse. Diesmal gönnen wir uns ein einfaches Hotel und wir bekommen ein grosses Zimmer mit
Balkon – was wollen wir mehr – so können wir grosszügig alles ausbreiten zum Trocknen. An der Rezeption
des Hotels liegt ein Eisbärenfell, oder?! Oder?! Es stellt sich heraus, es handelt sich um einen
ausgewachsenen Pyräneischen Berghund, schneeweiss, viel grösser als ein Bernardiner aber mit ähnlich
friedlichem Gemüt. Wow.

Voller Erwartung gehen wir zum Barrabes und suchen SilNet, ein klebriges Gel, das Nähte von silikonisiertem
Material abdichtet. Da das Tarp aus einem solchen Material besteht, eignet sich nichts anderes. Erstaunlicherweise
haben sie das nicht! Wir klappern jeden anderen Laden im Ort ab, aber es ist nichts zu machen. Wir entscheiden
uns für eine Plastikplane, die wir über das Tarp schwingen können, wenn es wieder regnet. Eine insgesamt
günstigere Lösung.

15.06.05

Zum dritten Mal stampfen wir die 6km bis zum Trailbeginn des GR11. An diesem Tag queren wir den Pass
Colladeta de Riu Bueno 2710m und campen auf 2400m.

16.06.05


Nach 20km Weg durch ziemlich krasses Gelände mit viel Boulder–hopping, grossen Schneefeldern und insgesamt
2020 Höhenmetern Anstieg, schreien die Knie „Hurra“ , als wir das Camp aufschlagen. Wir befinden uns
oberhalb des Refugio de Restanca 2010m. Einige Seen hatten noch dicke Eispalten, dass man leicht den
Eindruck hätte gewinnen können, nicht in Spanien, sondern in Grönland zu sein!

An diesem Tag sehen wir mehrere Gemsen und bewundern die Geschicklichkeit und Eleganz dieser Tiere.
Nach einer langen und gemütlichen Mittagsrast mit Sonnenbad kurz vor dem Collado de Anisclo 2440m, machen
wir uns an den Abstieg in Richtung von Circo de Pineta 1290m. Dieser ist erneut sehr steil und da er im gerölligen
Gelände stattfindet, erfordert er Konzentration. Ausserdem fängt es an zu regnen. Selbsthier.

19.06.05

Der Anstieg ist nicht so schlimm wie befürchtet, der Abstieg durch Ginsterbüsche jedoch zieht sich in die
Länge. Mittagsrast machen wir an einem Bach, der an einer Stelle tief genug ist und Casten zwecks Körperreinigung
komplett auf Tauchstation geht. Es ist wieder heiss und wir gönnen uns ein Mittagsnickerchen. Auf dem Weg
nach Lleret reden wir nur übers Essen. Der Supermarkt in Tavascan öffnet auf Anfrage – na hoffentlich!

20.06.05


Der Supermarkt öffnet uns und wir lassen es uns am Fluss schmecken. Wir kommen bis Boldís Sobirá 1480m zum
Schild der Eulalia (siehe „Eulalia“-Story), denn es fängt wieder zu regnen an und weiter oben ist laut Karte
nichts Planes mehr zu finden.

21.06.05


In Àreu 1225m kurz vor Andorra schmausen wir wieder und laufen in Richtung Pla de Boet 1850m, einer wunderschöne Ebene.
Unterwegs laufen wir vorbei an einer schönen Pferdeherde, zwei zierliche Stuten haben Fohlen. Wir ziehen
es vor, auf dem folgenden hängenden Tal zu campen Pla d´Arcalís 2000m auf einem der vielen Inselchen,
die von schmalen Flüssen
umflossen werden und mit Kiefern bewachsen sind.

22.06.05

Über einen sehr steilen Pass 2757m, der nur aus Geröll besteht, gelangen wir nach Andorra. Es kommen
uns Leute entgegen und das bedeutet, dass der Schnee um den See herum hält, wir sind erleichtert. Ansonsten
hätten wir uns für eine andere Route entscheiden müssen. Auf der einladenden Wiese von Coma Pedrosa 2200m machen
wir Rast, trocknen unsere Sachen, machen Wäsche. Es ist wieder sehr heiss.

Arinsal 1466m, der nächste Ort auf der GR11–Route, ist eine flairlose Stadt, die sich auf Wintertourismus
spezialisiert und Briten als Hauptpublikum anspricht. Pubs locken an vielen Stellen, „Typical English
Breakfast“ kann der Touri fast an jeder Ecke bestellen. Aber, was soll´s, hier bleiben wir nicht länger,
als es nötig ist einzukaufen und was zu essen. Apropos essen, hier ereignete sich die Geschichte, die
unter „Oscar, The Grouch“ zu lesen ist.

Mit vollen Bäuchen und wieder schweren Rucksäcken bezwingen wir den nächsten Pass Coll de Cases 1965m und nach einem
kräftezehrenden Abstieg finden wir endlich eine passende Stelle zum Übernachten. Heute haben wir
wieder viel geleistet: 1350m hoch und 1905m runter.

23.06.05

Durch Carsten entdecke ich heute wie gut Marshmallows schmecken, wenn man sie ins Feuer hält. So
holt er einfach einen Hering und fertig ist der Spiess. Wir laufen bis Encamp 1280m, einer grösseren Stadt
unweit von Andorra Vella, der Hauptstadt. Während des langen, steilen Abstieges konnten wir Encamp richtig
begutachten. Hier wird uns nichts lange festhalten.

In einem grösseren Supermarkt mit guter Auswahl lassen wir uns Zeit, denn draussen hängt eine grosse
schwarze Wolke am Himmel. Also snacken wir gemütlich vor dem Supermarkt und warten auf Wetterbesesserung.
Zum Estany d´Engolasters 1616m geht´s wieder bergauf mit voll beladenem Rucksack, es ist ein Stausee, um den
herum eine Recreation Area gebaut ist. Also treffen wir auch ein paar Leute an. Uns führt der GR11
weiter an einem schön angelegten Trimm-Dich-Pfad für Anfänger und Fortgeschrittene sogar und dann wieder
weg von der Zivilisation in das schöne Tal des Riu Madriu, wo wir auf einer grossen, grassbewachsenen
Terasse übernachten.

24.06.05

Ein sehr schöner Weg durch steinigen Wald anfangs entlang eines Baches später im baumlosen Bereich,
der unzählige Murmeltiere beherbergt. Durch ihre Warnpfiffe erst lokalisieren wir sie. Auf dem stetigen
Weg hinauf überholt uns ein fluchender Trail-Motorradfahrer. Er ist in Camouflagebekleidung, bepackt mit
Camping- und Angelausrüstungausrüstung und wohl unzufrieden mit seinem Motorrad. Pferdeherden grasen
ungestört hier und da. Unweit befindet sich schon der Pass Collado de Vall Civera 2550m, über den wir
gehen und somit wieder auf spanischem Boden sind.

Nach dem Mittagessen laufen wir weiter in Tal hinunter, obwohl wir versucht sind aufzuhören für den
Tag…aber es trennen uns eigentlich „nur“ 700 Höhenmeter mehr und ein Pass von der nächsten Hütte. Na
also, denken wir, das packen wir noch. Das werden richtig qualvolle 700 Höhenmeter und den Weg müssen
wir uns auch noch mühsam suchen durch die hohen Kiefernbüsche-die Markierungen sind verblasst. Mit
Galgenhumor motivieren wir uns von Stück zu Stück. Am Pass 2700m angekommen sehen wir weit über uns
auf dem gegenüberliegenden Berghang ganz winzig Tiere grasen. Es sind Pferde! Fast alle Pferde, die wir
bisher gesehen haben, sind schwere Tiere, die offensichtlich sehr geländegängig sind.

Wir brauchen beide etwas zu essen und ein Unterschlupf wäre ganz fein, denn der Wind bläst ununterlassen
und siehe da in der ersten Kurve Richtung Abstieg hat jemand aus Steinen eine bequeme Nische gebaut.
Mampfend bewundern wir die weite und schöne Aussicht. Eine Stunde später kommen wir am Refugio de Malniu 2138m
an, einer Steinhütte in einer Senke, die sich langsam füllt, je später der Abend.

Der Zugang zu dieser
Hütte ist offensichtlich recht einfach, so dass Leute ihr Auto an einem unweit gelegenen
Campingplatz parken und es in der Hütte mit der Abendruhe nicht so genau nehmen… Um 4h morgens werden wir wach,
weil eine Maus mit Haarbüschel am Schwanz offensichtlich etwas Leckeres geschnuppert hat und die Tüten
dieser Urlauber unsicher macht. Wir wünschen ihr guten Apettit und leisten ihr Gesellschaft beim Frühstück.
Da wir Vollmond haben, packen wir unsere Sachen dann ein und laufen los in der Dämmerung.

25.06.05

Bis zum Campingplatz führt dieser schöne, schmale Weg durch leicht bewaldetes Gebiet am Rande eines Tales
entlang und ab dem Campingplatz über weite Grasebenen, wo wir immer wieder Kühe antreffen. Eine davon, Gosa,
ist besonders anhänglich. Sie fängt an zu muhen, als wir weiterlaufen wollen. Wir bleiben stehen, möchten
sie streicheln. Irgendwie traut sie sich aber nicht und dann drehen wir uns und gehen. Sie läuft uns hinterher,
bleibt aber immer in einem Sicherheitsabstand stehen. Carsten versucht sie anzulocken. Als sie sich nicht
traut, laufen wir weiter und sie muhend hinterher. Das geht eine ganze Weile so und sie hat sich beträchtlich
von ihrer kleinen Herde entfernt, aber es scheint sie nicht zu kümmern. Vielleicht wurde sie von Wanderern
mit etwas anderem als Gras gefüttert, wer weiss. Irgendwann schaut sie uns nur noch hinterher.
Interessante Begegnung.

Wir können auch schon Puigcerdá 1204m sehen, die nächste Stadt, die sich vor uns in der Ebene ausbreitet
und unser nächstes Supermarktziel 🙂 ist. Wir legen einen Zahn zu, um noch vor Ladenschluss am Mittag
da zu sein. Nach einem sich in die Länge ziehendem Abstieg gelangen wir nach Puigcerdá, ein Stück müssen wir
auch auf der Strasse laufen. Nach dem Einkauf im Supermarkt lassen wir es uns gut gehen in dem
idyllischen Park mit See mitten in dem Städtchen. Es ist ein heisser Tag.

26./27.06.05

Auf der nächsten Etappe wandern wir ein Stück entlang der Grenze zu Frankreich über weite Ebenen
und dann wieder durch kleine, hübsche Dörfchen, in denen wir uns Wasser von den Stadtbrunnen holen.
Besonders erwähnenswert sind Dória und Querralbs. Von Querralbs aus beginnt der lange und teilweise
steile Anstieg entlang der tiefen Schlucht des Río Nuria.

Hier hinauf fährt auch eine Zahnradbahn zum Retortentort Nuria. Er erinnert mich an Phantasialand für
Erwachsene und Kinder. Auf 1967m gelegen bietet dieser Standort mit dem Riesenhotel die Möglichkeit,
kurze Wanderspaziergänge zu unternehmen, die Kinder können Ponyreiten und wenn Schnee liegt kann auch
eine kurze Piste zum Schifahren benutzt werden.

Der Camingplatz ist bis auf die letzte Parzelle ausgebucht. Die Rezeptionistin gibt uns aber den Tipp,
bis zur Dämmerung zu warten und dann unser Zelt ausserhalb der Campingplatz-Markierung aufzustellen und
ebenso bei Sonnenaufgang unsere Sachen bereits gepackt zu haben. Das machen wir auch. Um 22h abend gehe
ich in die Dusche, in der Hoffnung, das sich die Boiler wieder aufgeheizt haben (um die Uhrzeit wird sonst
wohl kein anderer mehr duschen wollen, denke ich), denn ich möchte mir die Haare waschen. Pustekuchen,
kalt ist es, aber ich tu´s trotzdem unter vielen Verrenkungen, um nicht ständig unter dem Wasserstrahl
zu stehen. Voll eingepackt in all´ meinen warmen Sachen und mit einem Buff über den Kopf klettere ich in
den Schlafsack rein.

Am folgenden Morgen sind die Haare immer noch feucht, ich aber nicht erkältet.

Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, bis wir wieder beide arbeiten und jeweils in verschiede
Richtungen fliegen müssen, also beschliessen wir, to call it quitts und die verbleibenden 10
Tagesetappen bei der nächsten Möglichkeit nachzuholen.

Wir haben 37 Etappen und 5 Ruhetage in 34,5 Tagen geschafft und würden am liebsten einfach so weitermachen!! 🙂